Postnatale Erschöpfungsdepression: eine Mama berichtet von ihren Erfahrungen

Die Geburt ihrer Tochter war für Vanessa eine schmerzhafte, aber schöne Erfahrung – doch die erhofften Glücksgefühle blieben aus. Alleingelassen mit einem Schreibaby, einem überforderten Partner und finanziellen Ängsten, kämpfte sie sich durch die ersten Monate, bis sie schliesslich nicht mehr konnte. In ihrem bewegenden Erfahrungsbericht teilt Vanessa ihre tiefsten Gedanken und Gefühle, spricht offen über ihren Zusammenbruch und wie sie es schaffte, nach einem Klinikaufenthalt wieder zu sich selbst und ihrer Liebe zu ihrem Kind zu finden.

Unsere Kleine war ein Wunschkind, doch bereits meine Schwangerschaft war - sagen wir - eher bescheiden. 8 Monate begleitet mit Übelkeit 24/7 und Erbrechen - es waren nicht wirklich eine schöne Zeit. Meine Geburt jedoch war genau wie ich sie mir vorgestellt habe: eine schmerzhafte aber schöne Erfahrung. Nun war es soweit. Das lange warten und hoffen hatte ein Ende und meine kleine Maus lag auf mir. aber wo waren die Schmetterlinge? die glückseligen Gefühle, von denen alle sprachen? Ich hatte sie nicht und schämte mich unglaublich dafür.

Im Wochenbett Zuhause - wenn man das überhaupt Wochenbett nennen darf - wurde es noch schlimmer… Es war nicht schon genug, dass ich arbeiten musste (für die Firma meines Vaters, weil er keine Vertretung suchte) und wir einen grossen Hund (50 kg) hatten, welcher leider Kinder nicht sehr gerne mochte, weshalb ich unglaubliche Angst um mein Kind hatte (die Hoffnung aber nicht aufgeben wollte, dass es mit ganz viel Liebe und Geduld mit den beiden klappt). Nach 4 Jahren gibt man ein geliebtes Tier nicht einfach so von heute auf morgen weg.

Nein, die Kleine war dazu noch ein Schreibaby (täglich 5-6 Stunden am Stück). 3 Monate lang. Mein Mann, welcher komplett überfordert war und im Nachhinein betrachtet sowas wie einen Babyblues für Väter hatte, zog sich komplett zurück und nun war ich da, alleine mit Schreibaby, einem Hund der Kinder nicht mochte, keiner Babypause im Job und diesen unglaublich komischen Gefühlen meiner Tochter gegenüber, welche ich versuchte zu verstehen.

Zu allem hin wurde uns (meinem Mann und mir) während der Babypause von heute auf morgen von meinem Vater gekündet, für welchen wir beide die vergangenen 6 Jahre gearbeitet hatten. Also kamen noch zusätzlich finanzielle Ängste im Wochenbett dazu. Ach, und habe ich erwähnt, dass das Stillen nicht klappen wollte und ich es wochenlang versucht hatte und irgendwann aufgab?

Ich habe dann gefühlt ständig geweint und auch meine Wochenbett-Hebamme immer gefragt ob das normal sei mit meinen Gefühlen der Achterbahn und dass ich einfach nicht wirklich glücklich bin. Sie meinte dann, es sei normal und dass dies noch kommen werde. Also blieb ich in dem Glauben, dass es besser werde. Ein Jahr lang.

Unser kleiner Schatz war aber auch noch etwas anderes als ein Schreibaby, nämlich ein sehr waches aufgewecktes Mädchen, welches nicht durchschlief (bis heute nicht mit 20 Monaten). Bis zum 13. Monat meldete sie sich alle 30-60 Minuten. Da mein Mann ja ein Babyblues hatte und wir so unsere Differenzen, übernahm ich jede Nacht alleine 12 Monate lang und wurde von Monat zu Monat erschöpfter. Die Gefühle für die Kleine aber kamen kontinuierlich und ich war so unglaublich froh darum.

Zu meiner Erschöpfung kamen körperliche Schmerzen hinzu, ich litt unter enormen Bauchschmerzen und musste dann aufgrund eines Infekts 2 Wochen ein Antibiotikum einnehmen. Ich ertrug diese aber nicht und jede Mahlzeit und jede Flüssigkeit, welche ich einnahm, kam wieder heraus. So habe ich dann meine letzten 10 Kilo Schwangerschaftspfunde verloren. Aber was nützt es einem schlank zu sein, wenn man so erschöpft und müde ist?

Zu diesem Zeitpunkt war die Maus kurz vor Ihrem ersten Geburtstag. Ab diesem Zeitpunkt schlief sie längere Zeit am Stück in der Nacht, aber ich hatte verlernt, zu schlafen und lag gefühlt die ganze Nacht wach. Nach einigen Tagen - vielleicht auch einer Woche - nach Ihrem Geburtstag konnte ich nicht mehr. Mehrfach hatte ich immer wieder erwähnt, dass ich doch schlafen möchte nur eine Nacht ohne Kind. Aber gehört hat mich zu diesem Zeitpunkt keiner, es ist ja normal wenig zu schlafen mit einem Kind und das Schlimmste war: Ich hatte wieder keine Gefühle mehr, für nichts und für niemanden. Ich fühlte nur noch eines und das war Trauer und Angst. Angst, nie wieder schlafen zu können, Angst, nie wieder Zeit für mich zu haben und vor allem Angst davor, nie wieder Glück und Liebe zu fühlen.

Ich durfte meine Maus dann über Nacht zum Glück meiner Schwägerin geben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich solche Erschöpfungzustände, dass mir die kleinsten Dinge kaum noch möglich waren, solange sie Zuhause bei mir war, gelang es mir irgendwie. Aber ab dem Zeitpunkt, als sie bei meiner Schwägerin war, konnte ich nichts mehr machen. Ich habe nur noch geruht und das Schlimmste war, dass ich auch ohne meine Maus nicht schlafen konnte.

Als ich dann nur noch liegen konnte und ununterbrochen weinte, hat meine Mama mir sofort einen Platz in der psychiatrischen Einrichtung organisiert. Ich war keine 30 Minuten dort und man hatte mir gesagt, ich habe eine Postnatale Erschöpfungsdepression. Endlich hatte es einen Namen. Mein Zustand der Gefühle oder eben - mein Zustand keiner Gefühle, zumindest keine positiven. Ich hatte ein Jahr lang irgendwie versucht, zu kämpfen für mich und meine Familie und hätte mich meine Mutter (welche zu 100% berufstätig ist und in der Pflege in einem Schichtbetrieb arbeitet) nicht so unterstützt, wäre ich früher zusammengebrochen.

Da war ich nun alleine in der Psychiatrie, unsere Kleine beim Papa Zuhause. 6 ganze Wochen lang, die mir vorkamen wie ein ganzes Jahr. Aber ich durfte heilen in diesen Wochen, konnte wieder lernen zu schlafen. Ich habe in diesen 6 Wochen mehr gelernt als in meinen 33 Lebensjahren. Als ich nach 6 Wochen nach Hause kam, war ich zwar noch nicht zu 100% bei mir aber ich war wieder lebendig und ich hatte meine Gefühle wieder zurück. Ich konnte nun meiner Tochter meine unendliche Liebe zu Ihr zeigen.

Heute, 6 Monate nach meinem Klinikaufenthalt, bin ich mehr bei mir als ich es jemals war. Ich liebe es mit meiner kleinen Familie die Welt zu entdecken, unser Hund hat die kleine bestens aufgenommen und die beiden sind beste Freunde und mein Mann hat durch die 6 Wochen alleine mit Kind nun Verständnis, wie es ist, die Care Arbeit alleine zu machen.

Was ich abschliessend sagen möchte ist, es ist okay, dass du diese Gefühle nicht von Anfang an hast. Es ist okay, dass du überfordert, übermüdet und manchmal auch wütend bist. Es ist in Ordnung, sein früheres Leben zu vermissen und sich manchmal zu wünschen, man wäre einfach nur alleine. Aber was ich Frauen mitgeben möchte, welche die selben Gefühle und Erfahrungen machen ist: Nehmt Hilfe an, gebt euere Kleinen ab, um für euch zu sorgen und zu heilen und wenn es nicht anders geht, versucht es in einer Klinik, mit oder ohne Kind. Ihr seid dadurch nicht eine schlechte Mama, im Gegenteil, ihr kämpft für euch, euer Kind und eure Familie. Manchmal führt der einsamste Weg zu den schönsten Plätzen der Erde.”

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Wochenbett: 20 Mamas teilen ihre Erfahrungen

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